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Bienen ohne Handicap

Datum: 24.10.2023
Von: Kathrin Thoma-Bregar

Auf Ruhpoldings Golfplatz fliegen nicht nur Bälle durch die Luft. Hier tummeln sich auch Tausende von Bienen. Auf den üppigen Naturflächen zwischen dem Grün finden sie ihr Paradies. Die emsigen Tiere sind die Leidenschaft von Greenkeeper Richard Jany.

18 Golfbahnen in allerschönster Tallage. Rundherum gruppieren sich Berggipfel. Kleine Wäldchen, bunte Wiesen, Bauernhöfe und Obstanger zieren das Bild. Die ersten Spieler sind schon unterwegs. Geschickt manövriert Richard Jany seinen Caddy an ihnen vorbei, grüßt gutgelaunt. Er kennt hier jeden Winkel, jede Kurve, jeden Baum. Vorbei an der Auftaktbahn zur Rechten, auf einem schmalen Kiesweg und über eine Brücke, linkerhand ein idyllisch gelegener Weiher. Dann geht es leicht bergauf, Ziel erreicht.

Unter einer riesigen Linde steht gut geschützt ein grüngestrichenes Bienenhäuschen. Richard Jany ist nicht nur seit 25 Jahren Head-Greenkeeper des Ruhpoldinger Golfplatzes, er ist auch Imker. Mit der gleichen Hingabe wie er das Grün pflegt, hegt er seine Bienenvölker. „Nur das Beste für meine Frauen“, zwinkert er und parkt den Wagen etwas abseits.

Mit ruhigen Bewegungen nähert er sich dem Bienenstock. Berührungsängste? Überhaupt nicht. Richard Jany ist mit seinen Bienen vertraut. Schutzanzug und Hut mit Netz trägt er nie. „Es sind ganz friedliche Tiere. Nur bei Gewitter reagieren sie gereizt. Und wenn man hektisch ist“, sagt er. Am Flugloch geht es an diesem Morgen noch recht gemächlich zu. Nur ein paar Tiere schwärmen aus. „Weil der Stock nach Süden ausgerichtet ist und jetzt im Schatten liegt. Den Bienen ist es zu kühl. Sie fliegen erst ab etwa 15 Grad und schlafen lieber aus“, erklärt Richard Jany.

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Für ein einziges Glas Honig muss eine Biene zweimal um die Erde fliegen

Insgesamt hat er um die 40 Völker. Die Tiere sammeln in einem Umkreis von drei bis fünf Kilometern ihren Nektar. Sie schätzen die tägliche Abwechslung, naturbelassene Landschaften sind ihnen am liebsten. Davon gibt es auf dem Golfplatzgelände jede Menge. Diese sogenannten Ausgleichsflächen sind ein Bienen-Schlaraffenland. Hier wachsen Schlüsselblumen, Huflattich, Löwenzahn, Weiden, Lindenblüten und noch viel mehr. Während Richard Jany mit seinem Team jeden Morgen um 7 Uhr ausrückt, um dem Golfrasen den Millimeterschnitt zu verpassen, werden die Naturflächen nur einmal im Jahr gemäht. Insektenpestizide sind tabu.

„Verlockt die Bienen in der Früh ein Himbeerstrauch, fliegen sie ihn bis zum Abend durchgehend an. Mit einem Rund- oder Schwänzeltanz erzählen sie sich untereinander, wo die Futterquelle ist“, weiß Richard Jany. Wenn im Frühsommer alles sprießt und blüht, verlässt eine Sammlerin bis zu 13-mal pro Tag den Bienenstock und legt 70 Kilometer zurück. Für ein einziges Glas Honig muss eine Biene zweimal um die Erde fliegen.

Im Hochsommer zählt ein Volk an die 80.000 Tiere, im Winter um die zehn. Jeder Stamm hat eine eigene Königin. Ihre einzige Aufgabe: Eier legen. Ungefähr 2.000 sind es im Frühling und Sommer täglich. Die Königin lebt sechs Jahre. Arbeiterbienen werden nur etwa 50 Tage alt und übernehmen nacheinander unterschiedliche Aufgaben im Bienenstock: Von der Reinigungskraft steigen sie zur Brutpflegerin und zur Wabenbauerin auf. Dann dürfen sie Wächterinnen sein, Flugbienen und zuletzt Wehrbienen, die den Stock verteidigen. „Eine perfekte Organisation, alle wissen, was sie zu tun haben“, ist Richard Jany fasziniert.

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Während eine Biene Nektar für den Honig sammelt, bestäubt sie sämtliche Nutz- und Wildpflanzen und ist deshalb so wichtig für den Menschen. Ohne Bienen gäbe es weder Tomaten, Kürbisse, Gurken, Kirschen oder Raps. Dass die rund 110 Apfel-, Birnen- und Zwetschgenbäume auf dem Golfplatzareal so reich tragen, ist ihr Verdienst. Die Sportler schätzen die gesunde Stärkung zwischendurch. Auch Richard Janys Wiesen- und Waldhonig ist bei den Gästen begehrt. In guten Jahren kann er fast 500 Kilogramm schleudern.

Gelegentlich greift Richard Jany auch noch zum Golfschläger. Sein Handicap ist 8. „Man muss selbst Spieler sein, wenn man für das Grün verantwortlich ist. Sonst versteht man nicht, worum es geht“, sagt der gebürtige Ruhpoldinger. Er steigt wieder in den Caddy und setzt seine Runde über den Platz fort. Nichts entgeht seinem wachsamen Auge, nicht die kleinste Grasnarbe.

Zwischendurch hält Richard Jany auch bei den anderen Bienenstöcken. Wenn abends die Sonne im Westen untergeht und die Berge leuchten, wenn jeder einzelne Grashalm von der untergehenden Sonne in Szene gesetzt wird und Richard Jany seine Bienen längst schlafend weiß, dann ist er glücklich. Für ihn ist es die schönste Zeit des Tages.

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