Wichtige Infos auf einen Blick
Wichtige Infos auf einen Blick
Es geht ordentlich zur Sache. Zimperlich ist hier keiner. Das Ziel: Den Gegner auf den Rücken legen. Ranggeln ist ein uralter bayerisch-österreichischer Kampfsport, ein Kräftemessen, bei dem es auch aufs Köpfchen ankommt.
Ein prächtiger Oktobertag auf der Schwarzachen Alm. Das Laub hat schon begonnen sich zu verfärben. Für das Vieh geht es bald wieder talwärts ins Winterquartier. Dann kehrt Ruhe ein am Fuße des Sonntagshornes. Aber noch nicht heute. Heute hat der Chiemgauer Ranggler- und Haklerverein zum Herbst-Ranggeln geladen. Ein Dutzend Männer und junge Burschen stellen sich dem Mann-gegen-Mann-Kampf. „Ranggeln“ heißt so viel wie balgen oder raufen und hat nicht nur in Ruhpolding eine lange Tradition, sondern im ganzen Alpenraum. Ranggeln soll sogar bis in die Keltenzeit zurückreichen und war ursprünglich so etwas wie ein Revierkampf. Es legte fest, welche Alm von wem bewirtschaftet wird und wer das Sagen hat. Und auch beim Imponieren fescher Sennerinnen war Ranggeln äußerst hilfreich. Bis heute wird der Gewinner dieses Zweikampfes als „Hogmoar“ bezeichnet. „Hog“ ist ein altes Wort für einen begrenzenden Weidezaun und „Moar“ nannte man den ersten Knecht in einem bäuerlichen Betrieb.
Etliche Zuschauer sind hinauf zur Schwarzachen Alm gewandert, um die Männer anzufeuern. Die sind barfuß, tragen weiße, grifffeste Hosen mit schwerem Ledergürtel und ein kurzärmeliges Hemd, ein sogenanntes „Pfoad“. Beides ist aus Leinenstoff, aus dem schon die Arbeitskleidung der Bauern und Holzknechte war. Er ist äußerst robust und hält entsprechend viel aus. Ein Schiedsrichter gibt das Zeichen, die Gegner klatschen sich eilig mit der rechten Hand ab, der Kampf geht los. Er dauert sechs Minuten bei den Erwachsenen und fünf bei den Schülern. Auf der Wiese vor der Almhütte ist ein Ring mit circa 20 bis 30 Meter Durchmesser abgesteckt. Am Rand stehen zwei weitere Seitenrichter. Aufs Kommando krallen sich die Gegner aneinander fest, drehen sich, Kopf an Kopf. Jeder versucht Griffe anzubringen, die Fußfeger, Knüpfen, Stieren, Bodenaufdreher oder Abzwicker heißen. Was grob aussieht ist eines der fairsten Zweikampfsportarten überhaupt, denn beim Ranggeln sind Würgegriffe, Schmerzgriffe, beißen, schlagen, zwicken und mit den Beinen treten strengstens verboten. Ludwig Schick ist Ehrenvorsitzender der Chiemgauer Ranggler. Rund 250 Mitglieder zählt der Verein.
»Es ist ein direkter Zweikampf, und zwar mit fairen Mitteln. Man braucht nicht nur Kraft, Geschick, Technik und Körperbeherrschung. Man braucht auch Köpfchen und das richtige Auge, damit man sieht, wo man dem Gegner den entscheidenden Stoß verpassen kann«
Als Sieger geht nämlich derjenige in die nächste Runde, der seinen Gegner zuerst mit beiden Schulterblättern gleichzeitig auf den Boden zwingt. Bei einem Unentschieden sind alle zwei Sportler raus. Es gibt beim Ranggeln keine Gewichtsklassen. Jeder tritt gegen jeden an, ob dick oder dünn, groß oder klein. Wo im Ring bis zur Erschöpfung gekämpft wird, herrscht daneben freundschaftliche Stimmung. Die Männer plaudern miteinander, klopfen sich anerkennend auf den Rücken, lachen. Die Rangglerfamilie ist eine eingeschworene Gemeinschaft. Geranggelt wird am liebsten auf grünem Rasen, notfalls tut es auch eine Halle oder eine Matte. Wobei Berglandschaften wie die auf der Schwarzachen Alm genau die richtige Kulisse ausmachen, weil sie gleichzeitig Energie und Ruhe geben. Genau das, was ein guter Ranggler im Kampf braucht, um schließlich „Hogmoar“ zu werden.