Wichtige Infos auf einen Blick
Wichtige Infos auf einen Blick
In den 1950er-Jahren wurde Ruhpolding zu Deutschlands Ferienziel Nummer eins. Wer was auf sich hielt, stieg hier ab. Die Gäste reisten mit dem Zug an. Am Bahnsteig empfing sie der Zeller Sepp, auf seine bayerisch charmante Art.
Weißes Trachtenhemd, kurze Lederhose mit Geschirr, Hut, Kniestrümpfe, Haferlschuhe, Schnauzbart, ein nicht zu übersehendes, großes Mannsbild: der Zeller Sepp. Er gilt bis heute als ein Ruhpoldinger Original. Jahrzehntelang begrüßte er die ankommenden Feriengäste am Bahnhof. Und das waren zigtausende, alleine 1955 stiegen 35.000 Touropa-Gäste an Ruhpoldings Bahngleisen aus. Mit Sonderzügen kamen sie jeden Sonntag angereist, aus allen Teilen der Bundesrepublik. Kaum öffneten sich die Waggontüren, spielte sich ein stets ähnliches Szenario ab:
Die Trachtenkapelle ertönte mit Pauken und Trompeten. Vermieter suchten im dichten Gedränge nach ihren Gästen und Gäste nach ihren Vermietern. Überall standen Leiterwagen fürs Gepäck. Etliche Burschen – nicht nur aus Ruhpolding, sondern auch aus Inzell, Reit im Winkl, Siegsdorf oder Traunstein – waren ebenfalls parat. Sie nahmen die jüngeren Touristinnen genau in Augenschein und trugen ihnen dann galant die Koffer. Die Damen genossen die Aufmerksamkeit der kernigen Trachtenburschen. Für den Abend wurden sogleich die ersten Verabredungen getroffen.
Und mittendrin überragte der Zeller Sepp alle. Er jauchzte laut und rief den Ankömmlingen entgegen, „Ich begrüße euch mit unserem schönen bayerischen Gruß: Grüß Gott“. Dabei lüftete er seinen Hut mit dem beeindruckenden Gamsbart. „Grüß Gott“ riefen die Gäste zurück. Und weil der Zeller Sepp nie auf den Mund gefallen und schon gar nicht schüchtern war, kam seine verschmitzte Antwort prompt: „Habt ihr doch schon etwas gelernt.“
»Ich begrüße euch mit unserem schönen bayerischen Gruß: Grüß Gott«
Der Sepp und seine Familie gehörten zu den Pionieren des Fremdenverkehrs in Ruhpolding. Es soll ein sonniger Samstag gewesen sein, strahlend blauer Himmel über dem Rauschberg, als der Zeller Sepp das Licht der Welt erblickte. Es war der 15. August 1903, Maria Himmelfahrt. Er war das dritte von insgesamt sechs Kindern, drei Buben und drei Mädchen. Sein Vater betrieb die erste Fremdenpension im Tal. Schon als Kind führte Sepp die Gäste im Miesenbacher Tal umher. Die hießen damals noch Fremde oder Sommerfrischler und blieben meist einige Wochen.
Sein Leben lang war der Zeller Sepp ein vielseitiger Mensch, oftmals sogar ein Pionier, beim Sport zum Beispiel, auch wenn seine stämmige Erscheinung das nicht vermuten ließ. Aber er gehörte tatsächlich zu den ersten unerschrockenen Männern, die mit Skiern von der Schanze sprangen. Er war im Turnverein und Radrennfahrer. Manchmal strampelte er sogar auf seinem hart ersparten Rad mit Schlauchreifen an einem Tag nach München und zurück.
Der Zeller Sepp war beim Bau der Zahnradbahn auf der Zugspitze dabei und bei der Ruhpoldinger Waldbahn, erst als Wagenschmierer, dann als Heizer und schließlich als Lokführer auf der Schmalspur. Als Zimmermann arbeitete der Zeller Sepp am Ruhpoldinger Kurhaus mit. Auf der Marmortafel in der Eingangsstelle steht sein Name, so wie aller, die am Bau beteiligt waren. Er war außerdem Bergführer, Wanderführer, Skilehrer und seit den 1950er Jahren auch Reiseleiter.
Seine legendären Führungen durch den Ort begann er an dem von ihm miterrichteten Kurhaus. Nicht selten folgten ihm ein paar Hundert Gäste. Wie eine Prozession zog er mit ihnen durch den gesamten Ort, die Damen aufgehübscht in Dirndlkleidern von Neckermann. Sepp kannte in Ruhpolding alle und jeden, die besten Wirtshäuser und die schönsten Berggipfel. Abends stand er dann noch auf der Kurhausbühne, um durch den bayerischen Heimatabend zu führen.
Für den Urlaubsort war der Zeller Sepp eine Institution. Aber er war auch weit über die Grenzen seines Heimatortes bekannt, denn man schickte ihn quer durchs ganze Land, um die Werbetrommel für Ruhpolding zu rühren. Der Münchner Merkur nannte ihn „Ungekrönter Herrscher von Ruhpolding.“ In der Frankfurter Rundschau hieß es: „Der Zeller Sepp weiß, was die Gäste wünschen“. Und die Süddeutsche Zeitung schrieb damals über ihn: „… der Zeller Sepp, dem neben dem Reisemanager Dr. Carl Degener dieses einst völlig unbekannte Bauerndorf Ruhpolding seinen meteorgleichen Aufstieg zum Zielort der meistgekauften Gesellschaftsreisen zu verdanken hat.“
Wenn er auch als Empfangschef Ruhpoldings galt, Fremdenverkehrsdirektor wollte der Zeller Sepp nie werden, auch wenn ihm das bestimmt der ein oder andere zugetragen hätte. Lieber begrüßte er Gäste am Bahnhof und verabschiedete sie stets in gleicher Manier: heiter, humorvoll, charmant, mal unter augenzwinkernd gespielten Tränen, mal mit herzlichen Busseln. Er war das erste was Ruhpoldings Gäste zu Gesicht bekamen und das letzte als sie wieder abreisten. 1982 starb Sepp Zeller im Alter von 78 Jahren.